Nachdem ich gestern von der ITB aus Berlin zurückgekehrt bin, und dort auch der Pressekonferenz von HRS zur Übernahme von Tiscover beigewohnt habe, möchte ich ein paar Gedanken zu diesem Deal loswerden. Vorab vorausschicken will ich noch, für jene die es nicht wissen, dass ich viele Jahre selbst bei Tiscover in unterschiedlichen Funktionen gearbeitet habe und somit das Unternehmen, seine Mitarbeiter und die ganze Privatisierungsgeschichte sehr gut kenne.
Nach mehreren Jahren der Privatisierungsbestrebungen ist jetzt also endlich die Katze aus dem Sack und ein Käufer gefunden. Dass es nun das Kölner Unternehmen HRS geworden ist, kam schlussendlich nicht überraschend, fast schon von Anbeginn der Diskussion war das größte deutsche Hotelportal als potentieller Käufer im Gespräch. Erste Verkaufsabsichten der Landesanteile an Tiscover (zuletzt 87,5%) gab es schon um 2000/2001, wurden aber wegen des Wertverfalls aufgrund der geplatzen dotcom-Blase aber wieder fallen gelassen. Die restlichen Eigentümer der seit 2000 als AG firmierenden Tiscover (zuvor TIS GmbH) waren bis zuletzt die Firma Swarovski (6%) und die BA/CA (3%). Nun hat HRS 97% der gesamten Anteile am Unternehmen übernommen. Die restlichen 3 % (im Privateigentum) wolle man laut HRS zu einem späteren Zeitpunkt auch noch übernehmen. Lange Zeit waren neben HRS noch einige andere potentielle Käufer im Gespräch, darunter etwa der Konkurrent Feratel und sogar Expedia/Microsoft, zuletzt war auch von Finanzinvestoren ohne Tourismus-Background die Rede. Jetzt ist es also doch HRS geworden, ein Online-Portal in Familienbesitz (Firmengründer Robert Ragge ist immer noch einziger Gesellschafter), Marktführer im deutschsprachigen Raum und auch international einer der wichtigsten Player im Bereich Online-Hotelbuchungen.
Der Verkauf wurde wie gesagt am 06. März bei einer Pressekonferenz auf der ITB offiziell bekannt gegeben. Zu diesem Anlass lief die gesamte Prominenz beider Unternehmen auf. Von HRS dabei waren Gründer und Inhaber Robert Ragge, sein Sohn und Geschäftsführer Tobias Ragge und Harmut Keil, ebenfalls Mitglied der Geschäftsführung. Das Land Tirol war vertreten durch LH Herwig van Staa, WK-Präsident Jürgen Bodenseer und den Chef der Tirol Werbung, Josef Margreiter. Zugegen waren u.a. auch Michael Brandl von der Tirol Werbung und Konrad Plankensteiner von Tiscover, allerdings nur als Zuschauer (wäre wohl auch sonst etwas eng geworden am Podium). Die Tiroler Abordnung war dabei extra mit dem Privatjet von Jürgen Bodenseer von Innsbruck nach Berlin eingeflogen worden. Auf die inhaltlichen Details der Pressekonferenz möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen, das kann jeder gerne als offizielle Presseaussendung nachlesen. Über den Kaufpreis wurde übrigens Stillschweigen vereinbart. Kommentar von Tobias Ragge auf Nachfrage eines Journalisten: "Sie wissen ja, ich habe ein schlechtes Zahlengedächtnis...". Aus gut informierten Kreisen wird gerüchteweise ein hoher einstelliger Millionenbetrag kolportiert. Angesichts der ehemaligen Erwartungen an den Verkaufserlös eine eher bescheidene Summe. HRS wird vier Mitglieder des Aufsichtsrates der Tiscover AG stellen, darunter den Aufsichtsratvorsitzenden (Tobias Ragge). Dem Aufsichtsrat angehören werden auch ein Vertreter der Tirol Werbung (als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender) und zwei Arbeitnehmer-Vertreter. Im Zusammenhang mit dem Verkauf stellen sich nun natürlich einige Fragen, auf die ich kurz eingehen möchte:
1.) Was verspricht sich HRS von diesem Deal?
Die Tiscover Übernahme ist die erste Akquisition in der langen Geschichte von HRS. Bisher war man stets aus eigener Kraft gewachsen. Interessant sind für HRS wohl primär die Hotel-, Ferienwohnungs- und Privatvermieterkunden von Tiscover in Österreich. Der Rest (Deutschland, Schweiz, Italien, Großbritannien und Südafrika) ist vom Volumen her unbedeutend und zu vernachlässigen. Evtl. gibt es ja auch Interesse an den Back-Office Lösungen (Reservierungssysteme für Tourismus-Destinationen), das wäre allerdings ein neues Geschäftsfeld für HRS - halte ich für eher unwahrscheinlich. Und dass HRS plötzlich in den Markt der Webdesigner und Online-Werber einsteigt (die Tiscover Webfactory ist das dritte Standbein des Unternehmens) ist wohl auch nicht zu erwarten. Als Zugabe zum Kauf gibt's schließlich noch ein paar tausend mehr oder weniger interessante Domains, das sind aber höchstens Nebengeräusche. Also sind es dann eben die ca. 20.000 Betriebe in Österreich, die sich HRS als Kunden gekauft hat. So gesehen sicher kein schlechtes Geschäft, wenn man bedenkt, das Deutschland (in dem eben HRS die Nr.1 ist) der wichtigste Quellmarkt für die Tiscover Betriebe ist und HRS im Bereich der Ferienhotelerie sicherlich noch Aufholbedarf hat.
2.) Was bedeutet der Verkauf von Tiscover für die bestehenden Kunden, bzw. für die Tourismusdestinationen, die mit dem Tiscover-System arbeiten?
Mittel- bis längerfristig ist davon auszugehen, dass HRS nicht zwei völlig unterschiedliche technische Lösungen für sein Buchungssystem unterstützen wird, eine Schnittstellenlösung wäre höchstens ein Übergangsmodell. D.h. alle Tiscover Betriebe werden früher oder später die HRS-Buchungstechnologie bekommen. Positiv daran ist, dass für die bestehenden Tiscover-Kunden damit ein viel größerer Markt erschlossen wird. HRS ist ein internationaler Player mit entsprechendem Marketing Budget, der auch offline stark präsent ist (Veranstaltungssponsoring, TV-Werbung etc.). D.h. Tiscover-Betriebe werden in das Vertriebsnetzwerk von HRS integriert (wobei die Hotels zum Großteil ohnehin schon bei HRS dabei sein dürften, für die entfällt zumindest dann die die doppelte Datenwartung, falls der eigene Tourismusverband mit Tiscover arbeitet). Was die Back-Office Destinations-Lösungen von Tiscover betrifft (Booking Manager), wird dann konsequenterweise eine Integration der HRS-Buchungsmaschine erfolgen, unter der Voraussetzung, dass diese Produktschiene weiter betrieben wird.
3.) Wie sieht die Zukunft des Unternehmens Tiscover und die seiner Mitarbeiter aus?
Auf der Pressekonferenz haben beide Parteien versichert, dass das Unternehmen mit seinen Standorten und auch die Marke "Tiscover" erhalten bleiben. Freilich wurde nicht gesagt, wie lange das der Fall sein wird. Als positives Signal ist es zumindest zu werten, dass im Aufsichtsrat der Tiscover AG ein Vertreter der Tirol Werbung vorgesehen ist - eine doch eher ungewöhnliche Maßnahme, da das Land Tirol nach dem Verkauf ja keinerlei Anteile mehr besitzt - allerdings ist die Tirol Werbung auch der wichtigste Kunde von Tiscover (siehe www.tirol.at). Wie ernst es mit den Versprechungen ist, wird sich in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. HRS müßte zur Stärkung von Tiscover ordentlich Geld in die Hand nehmen und die Marke auch in Deutschland pushen. Falls das nicht der Fall sein wird, ist es klar, wohin die Reise geht...